Brief an die Aktionäre
CEO Thomas Müller
zum Geschäftsjahr 2023

Sehr geehrte Aktionärinnen und Aktionäre, sehr geehrte Damen und Herren,

Brief an die Aktionäre
CEO Thomas Müller
zum Geschäftsjahr 2023

Sehr geehrte Aktionärinnen und Aktionäre,
sehr geehrte Damen und Herren,

ein erneut außergewöhnliches und ereignisreiches Jahr liegt hinter uns. Der Krieg Russlands gegen die Ukraine wütet nun seit mehr als zwei Jahren und ein Ende ist leider noch immer nicht in Sicht. Damit nicht genug, wächst die globale Instabilität zusehends. Um nur einige Beispiele zu nennen: Wir haben im abgelaufenen Jahr ein Aufflammen ethnischer Konflikte im Kaukasus, aber auch auf dem Balkan erlebt. China strebt danach, in einer zunehmend multipolaren Welt zu einer Supermacht zu werden, und versucht, seinen Einfluss über den asiatischen Raum hinaus weltweit auszubauen. Die Ereignisse im Nahen Osten, ausgelöst durch die Aggression der Hamas gegen Israel und die in der Folge weitere Destabilisierung am Horn von Afrika, haben die sich abzeichnenden Erfolge der Friedensbemühungen für diese Region wieder in weite Ferne gerückt. All das sind Symptome einer wachsenden globalen Sicherheitskrise mit untereinander verknüpften Konfliktherden. Das Resultat ist eine Polykrise, die nur sehr schwer und wenn überhaupt dann nur langfristig zu lösen sein wird.

Langfristige Investitionen in Verteidigung und Sicherheit sind für viele Nationen zu einer wichtigen Priorität geworden und werden dies über einen langen Zeitraum auch bleiben, da eine glaubwürdige Abschreckung der Schlüssel zur Vermeidung von Konflikten ist. Infolgedessen sehen wir unverändert eine stark wachsende Nachfrage nach hochentwickelten elektronischen Verteidigungs- und Sicherheitslösungen, um den vielfältigen und sich stets wandelnden Bedrohungen zu begegnen.

Für mich ergibt sich daraus eine wichtige Erkenntnis: Eine Investition in HENSOLDT verspricht durch stabiles und nachhaltiges Wachstum nicht nur wirtschaftlichen Mehrwert, sondern ist auch in politischer und gesellschaftlicher Sicht ein Bekenntnis zu Sicherheit und Stabilität.

Für HENSOLDT wurde ein arbeitsreiches und erfolgreiches Jahr 2023 von einer ganzen Reihe besonderer Ereignisse begleitet. Gleich zu Jahresbeginn besuchte Bundeskanzler Olaf Scholz unseren Standort in Ulm, um sich ein eigenes Bild von den innovativen Produkten und Schlüsseltechnologien unseres Unternehmens zu machen. Dabei konnte sich der Bundeskanzler davon überzeugen, wie leistungsfähig HENSOLDT ist und welchen Beitrag wir für die Bundeswehr, unsere Partner und für die Ukraine leisten. Dieser Besuch des Bundeskanzlers unterstreicht die deutlich gewachsene Bedeutung unserer Industrie und stützt meine Überzeugung, dass die Zeitenwende nur im Dreiklang aus den richtigen politischen Rahmenbedingungen, einer gut ausgerüsteten Bundeswehr und einer leistungsfähigen wehrtechnischen Industrie gelingen kann.

Kurz vor Weihnachten konnten wir den Erwerb der ESG-Gruppe bekanntgeben. Diese Akquisition – die neunte und größte in der Geschichte unseres Unternehmens - passt perfekt zu unserer Gesamtstrategie und beschleunigt die Entwicklung von HENSOLDT zum umfassenden Lösungsanbieter für Verteidigung und Sicherheit. Die Kombination der sich hervorragend ergänzenden Kompetenzen von HENSOLDT und der ESG-Gruppe ist ein entscheidender Schritt auf dem Weg zu einem führenden europäischen Anbieter von nahtlos integrierten Komplettlösungen. Die Integration von Design- und Systemintegrationsfähigkeiten der ESG-Gruppe wird die Positionierung von HENSOLDT als Anbieter umfassender Lösungen stärken. Insbesondere bringt die ESG-Gruppe ihr Fachwissen über intelligente Datennetzwerke ein, um die HENSOLDT-Sensorsysteme bereichsübergreifend zu vernetzen und in Gesamtlösungen mit Mehrwert für unsere Kunden zu integrieren.

Unser Aufstieg in den zweithöchsten deutschen Aktienindex, den MDAX, im März 2023 ist das Ergebnis der guten Kursentwicklung der letzten Monate, des Rekordauftragsbestandes und des gestiegenen Umsatzes unseres Unternehmens. Mit diesem Aufstieg gehören wir nun zu den 90 größten börsennotierten Unternehmen in Deutschland, gemessen an der Marktkapitalisierung des Streubesitzes.

Und wir konnten innerhalb von gerade einmal neun Monaten sowohl den ersten Spatenstich wie auch das Richtfest für den Bau unseres neuen Werks in Oberkochen feiern. Mit dem Neubau bereiten wir uns auch auf einen Hochlauf der Serienproduktion in Optronics vor.

Unser Geschäft hat sich im Jahr 2023 erneut hervorragend entwickelt. Für das Projekt PEGASUS konnten wir im Herbst das sogenannte Critical Design Review erfolgreich abschließen, in dem uns der Kunde nicht nur die überzeugende Leistungsfähigkeit unseres Systementwurfs attestiert hat, sondern nachfolgend auch wichtige Cash-Meilensteine ausgelöst wurden.

Für das Eurofighter Mk1 Radar haben wir eine Erweiterung des Entwicklungsvertrages in Höhe von über 100 Millionen Euro erhalten, die eine stabile Basis für die Weiterentwicklung und die Voraussetzungen für die Zertifizierung und Einrüstung in die deutschen Quadriga-Eurofighter ab 2027 schaffen.

Zu dem erneut starken Auftragseingang von fast 2,1 Milliarden Euro im vergangenen Jahr haben alle Geschäftsbereiche beigetragen. Auch hier zeigen sich die positiven Auswirkungen der Zeitenwende mit einem kumulierten Auftragsvolumen von mehr als 350 Millionen Euro für mehr als 20 unser Mittelbereichs-Luftverteidigungsradare TRML‑4D und Aufträgen von rund 250 Millionen Euro für Optronik und Selbstschutz auf dem Schützenpanzer PUMA und dem Kampfpanzer LEOPARD 2. Auch international sind wir erfolgreich, beispielsweise mit einem Auftrag für eine integrierte Sensorlösung auf Minenjagdbooten in Indonesien.

Für das Future Combat Air System FCAS haben wir ein Paket wichtiger nationaler F&T-Studien gewonnen. Die acht Vorhaben, überwiegend unter Leitung der von HENSOLDT geführten FCMS GbR mit Diehl, der ESG-Gruppe und Rohde & Schwarz, decken die Bereiche Missionsplanung, Multi-Plattform Sensordatenfusion, Elektronischer Kampf und vernetzte Bewaffnung ab. Gleichzeitig startet ein begleitendes Projekt zur Entwicklung eines übergreifenden KI-Backbones für alle diese Vorhaben. Dieser Auftrag unterstützt maßgeblich die weitere Positionierung von HENSOLDT als Systemhaus und Missionssystem-Partner unserer Streitkräfte.

Unsere hohe Innovationskraft verbinden wir sehr erfolgreich mit einem robusten und krisenfesten Geschäftsmodell und haben für das Geschäftsjahr 2023 erneut unsere ambitionierten Ziele erreicht und sogar übertroffen: Mit unserem Auftragseingang von 2,087 Milliarden Euro verzeichnen wir nun einen Auftragsbestand in Rekordhöhe von 5,5 Milliarden Euro und ein Verhältnis von Auftragseingang zu Umsatz von 1,1x. Der HENSOLDT-Umsatz stieg im vergangenen Jahr auf über 1,8 Milliarden Euro. Ein wesentlicher Treiber war dabei ein deutlicher Anstieg des Umsatzvolumens im Kerngeschäft um 16 Prozent. Das bereinigte EBITDA stieg um 37 Millionen Euro auf 329 Millionen Euro. Mit einem sehr erfreulichen bereinigten Free Cashflow vor Steuern und Zinsen in Höhe von 249 Millionen Euro konnten wir den Verschuldungsgrad vor der Kapitalerhöhung im Dezember 2023 weiter auf 0,9x senken. Sie sehen: Wir halten Wort und liefern, was wir versprechen!

Wir setzten auch im vergangenen Jahr den Generationenwechsel in der Führungsspitze unseres Unternehmens fort. Seit dem zweiten Quartal 2023 führt Tanya Altmann unser Optronics-Geschäft und mit dem Jahreswechsel hat nicht nur mein designierter Nachfolger Oliver Dörre seine Arbeit bei HENSOLDT aufgenommen, sondern auch Dietmar Thelen, der nun unseren Geschäftsbereich Spectrum Dominance and Airborne Solutions leitet.

Oliver Dörre, Tanya Altmann und Dietmar Thelen bringen viel Engagement und neue Impulse ein, um die vor uns liegenden Chancen zu nutzen und die dynamischen Herausforderungen zu meistern.

Eine der Herausforderungen, denen wir gegenüberstehen, besteht darin, eine zuverlässige Versorgung mit Vorprodukten und Komponenten sicherzustellen, insbesondere vor dem Hintergrund von branchenübergreifenden Verwerfungen in den Lieferketten. Die Tatsache, dass etwa 90 Prozent unserer Zulieferer ihren Sitz in Deutschland und Europa haben, mildert diese Problematik für uns erheblich. Zusätzlich wirken sich die fortlaufend hohen Energiepreise und die Inflation auf die Entwicklung unserer Kostenbasis und die Preisgestaltung unserer Produkte aus. Wir behalten alle diese Themen genau im Auge und setzen uns kontinuierlich dafür ein, durch Lösungen und Maßnahmen die Effizienz unseres Unternehmens weiter zu stärken.

Die eingangs beschriebene globale Polykrise hat in vielen Staaten – nicht nur im Westen - zu einem Wiedererwachen des Bewusstseins geführt, dass unsere Freiheit und unsere demokratische Grundordnung verteidigt werden müssen. Gleichzeitig wurde erkannt, dass die dazu notwendigen Fähigkeiten in den vergangenen Jahrzehnten vernachlässigt wurden und jetzt so schnell und umfassend wie möglich wiederhergestellt werden müssen. Beides wirkt sich unmittelbar auf unsere Arbeit aus. Unsere Kunden erwarten, dass wir in kürzerer Zeit größere Stückzahlen liefern, als wir es in den letzten Jahrzehnten gewohnt waren. Zuletzt ist auch die Einsicht erkennbar, dass neben souveränen Fähigkeiten auch globale Partnerschaften erforderlich sind. Eine starke Verteidigungsindustrie benötigt eine Exportpolitik, die auch als ein wirksames Mittel der Außen- und Sicherheitspolitik verstanden wird.

Daraus folgt, dass wir unsere Entwicklungs- und Produktionsprozesse, wo immer es geht, industrialisieren und unsere Produkte und Lösungen noch stärker modularisieren, um Kapazitäten zu erweitern und Lieferzeiten zu verringen. Um unsere Leistungsfähigkeit weiter zu steigern, konzentrieren wir uns verstärkt auf unsere Kernkompetenzen und delegieren gleichzeitig Arbeitspakete an Partner, um sicherzustellen, dass unsere hochqualifizierten Entwickler ihre technischen Fähigkeiten optimal entfalten können. Dazu gehört weiterhin, dass wir unsere Entwicklung zum Systemanbieter noch intensiver vorantreiben und unsere Präsenz auf verschiedenen Plattformen erweitern.

Unsere Kunden setzen nicht nur auf unsere Technologien, sondern auch auf unser Engagement, unsere Zuverlässigkeit und unsere Innovationskraft. Sie verlassen sich darauf, dass wir unseren Beitrag zu unser aller Sicherheit leisten. Dazu tragen unsere Transformationsprogramme bei, mit denen wir beispielsweise die Industrialisierung unserer Produktion angehen, unsere Engineering Excellence weiter verbessern, aber auch unsere SAP-Umgebung konzernweit zukunftssicher aufstellen.

Neben allen Herausforderungen und Unsicherheiten birgt die neue Lage auch enorme Chancen: Die Neubewertung der Landes- und Bündnisverteidigung und der damit zusammenhängenden Schlüsseltechnologien gehen in unsere Richtung und die internationale Nachfrage nach unseren Produkten und Lösungen steigt stetig an. Informationsüberlegenheit erfordert vernetzte, durch Künstliche Intelligenz aufgewertete Sensoren, die Kontrolle über das elektromagnetische Spektrum und den Schutz der eigenen Kräfte; für all diese mehr denn je nachgefragten Aufgaben sind wir mit unserem Portfolio bestens positioniert.

Der Umgang mit Nachhaltigkeit in den Bereichen Umwelt, Gesellschaft und Unternehmensführung bleibt für uns ein strategisches Schlüsselthema. Denn als Technologieunternehmen der Verteidigungsindustrie ist es unser Ziel, die nachhaltige Entwicklung unserer Gesellschaften in Frieden und Freiheit zu ermöglichen – dazu gehört auch unsere originäre Verantwortung für einen umweltschonenden Umgang mit Ressourcen. Gerade für junge Talente ist Nachhaltigkeit zu einem zentralen Kriterium für die Attraktivität eines Arbeitgebers geworden. Aber auch wirtschaftlich zahlt sich eine konsequente Nachhaltigkeitsorientierung aus. Deshalb verfolgen wir unsere konzernweite ESG-Strategie sehr konsequent, um unsere bereits heute führende Position als ESG-Benchmark in der Verteidigungsbranche weiter zu stärken.

Sehr geehrte Aktionäre von HENSOLDT, meine Damen und Herren, mit diesem Brief an Sie möchte ich mich von Ihnen verabschieden. Lassen Sie mich deshalb noch einige Gedanken zur herausragenden Wachstumsgeschichte von HENSOLDT und den Erfolgsfaktoren dafür mit Ihnen teilen.

Was bei Airbus ein wenig beachteter Geschäftsbereich war, ist heute ein stark wachsendes Unternehmen, das im MDAX gelistet ist, ein Unternehmen, das seine Größe seit der Ausgliederung mehr als verdoppelt hat. Ein Unternehmen, das unter der Führung von KKR schlank, effizient und leistungsfähig geworden ist, ein Unternehmen, das seine Versprechen zuverlässig und kontinuierlich einhält.

Viele haben mich in den vergangenen Wochen nach dem Geheimnis unseres Erfolgs gefragt. Erfolg hat stets viele Gründe, aber wenn es eine Zutat gibt, die HENSOLDT ganz besonders macht, sind das unsere Mitarbeitenden und unser einzigartiger und unerschütterlicher Teamgeist. Wir sind leidenschaftlich bei dem, was wir tun. Wir wissen, dass wir eine große Verantwortung tragen, wenn wir die High-End-Sensorsysteme entwickeln und produzieren, die unsere Kunden benötigen, um ihre gefährlichen Missionen zu erfüllen und uns alle zu schützen. Und wir sind uns unserer Verantwortung gegenüber dem Kapitalmarkt, gegenüber unseren Aktionären, gegenüber Ihnen voll bewusst.

Wenn ich sehe, wo HENSOLDT heute steht, erfüllt mich das mit einem Gefühl von Freude und Stolz. Als ein reiner Anbieter von Verteidigungselektroniklösungen sind wir in einem sehr attraktiven Marktsegment unterwegs, das ohne Zweifel künftig weiter wachsen wird. Unser Produktportfolio ist auf dem neuesten Stand der Technik und wird in Zukunft noch digitaler und KI-fähig sein. Unsere Geschäftsbereiche ergänzen und unterstützen sich gegenseitig und gleichen damit die Zyklen im Markt sehr gut aus. Mit einem enormen Auftragsbestand, einer ausgezeichneten Visibilität und diesem großartigen Team ist HENSOLDT in einer hervorragenden Verfassung für weiteres Wachstum.

Am 1. April 2024 übergebe ich die Rolle des Vorstandsvorsitzenden der HENSOLDT AG an meinen Nachfolger Oliver Dörre, der bereits im Januar zu uns gestoßen ist. Damit haben wir einen ganz wesentlichen Meilenstein für den Generationenwechsel sowohl im Vorstand als auch in unserem Executive Committee erreicht, der es HENSOLDT ermöglichen wird, auch in Zukunft noch weiter aufzusteigen. Ich bin absolut überzeugt, dass Oliver Dörre und das Team in Vorstand und Exekutivkomitee unser Unternehmen auf dem überzeugenden Wachstumskurs der vergangenen Jahre zu neuen Höhen führen werden.

Vielen Dank für Ihr Vertrauen in das HENSOLDT-Managementteam, vielen Dank für Ihr Engagement für unser Unternehmen und vielen Dank für Ihre Unterstützung in den vergangenen Jahren. Es erfüllt mich mit großer Dankbarkeit und Stolz, wenn ich sage, dass das Beste für HENSOLDT noch vor uns liegt!

Ich danke Ihnen!

Herzlichst, Ihr
Thomas Müller

Vorstandsvorsitzender
HENSOLDT AG