Zeitenwende in der
Unternehmenssteuerung:
„Es geht darum, Wachstum
klug zu gestalten“

Foto von Christian Ladurner und Lars Immisch

Ein Besuch
am Standort Ulm
mit CFO
Christian Ladurner
und CHRO
Lars Immisch

Ein Besuch am Standort Ulm mit CFO Christian Ladurner und CHRO Lars Immisch


Im Personalbereich werden genau wie im Finanzressort zentrale Grundlagen für die unternehmerische Entwicklung von morgen gelegt. Mit Lars Immisch und Christian Ladurner hat der HENSOLDT-Aufsichtsrat 2022 die Verantwortung im Vorstand für beide Ressorts neu besetzt. Bei einem Rundgang am Standort Ulm beschreiben die Vorstände, wie sie die nächste Wachstumsphase managen wollen.

HENSOLDT ist ein junges Unternehmen mit großer Historie: Während das eigenständige Unternehmen erst sechs Jahre alt ist, reicht die Geschichte seiner Vorgängerorganisationen rund 150 Jahre zurück. Bereits so lange entstehen hier aus Innovationsgeist Hightechprodukte an den Grenzen der Physik.

Für die Verbindung aus Erfahrung und Aufbruch stehen auch die beiden Neuzugänge im HENSOLDT-Vorstand: Christian Ladurner und Lars Immisch. Im Zuge einer langfristigen Nachfolgeplanung übernahm Christian Ladurner am 1. Juli 2022 im Vorstand die Verantwortung für das Finanzressort. Lars Immisch trat seine Position als neuer Personalvorstand am 1. Oktober an. Beide kennen HENSOLDT und seine Vorgängerorganisationen bereits seit vielen Jahren und bringen umfangreiche Erfahrung in der Verteidigungsindustrie in ihre neuen Positionen mit.

Christian Ladurner, geboren 1977, stieg 2010 als Wirtschaftswissenschaftler in den Airbus-Konzern ein und war in mehreren leitenden Controllingfunktionen bei Airbus Defence and Space in Manching tätig. Zum Wechsel in die Verteidigungsindustrie nach einem Berufseinstieg in der Automobilbranche motivierte den ehemaligen Offizier, Streitkräfte optimal auszustatten. 2015 übernahm er die Leitung des zentralen Controllings in der heutigen HENSOLDT AG und begleitete den Börsengang 2020. Zuletzt war Christian Ladurner Head of Group Controlling & Investor Relations.

Lars Immisch, Jahrgang 1967, begann nach einem Jurastudium seine Karriere 1999 im heutigen Airbus-Konzern bei DaimlerChrysler Aerospace in Unterschleißheim als HR-Manager im Bereich der Verteidigungselektronik. Später hatte Lars Immisch zahlreiche Führungsfunktionen im Personalressort des Airbus-Konzerns inne, zuletzt als Executive Vice President Human Resources bei Airbus Defence and Space. Seine Leidenschaft für internationales Arbeiten führte ihn zweimal nach Frankreich, das erste Mal 2003 nach Paris als CFO des französischen Geschäfts mit Verteidigungselektronik.

Heute führen Christian Ladurner und Lars Immisch als Vorstände Teams, die entscheidende Voraussetzungen dafür schaffen, dass HENSOLDT realisieren kann, was sich das Unternehmen mit seiner Strategie vorgenommen hat: Wachstum – smart, profitabel und nachhaltig. Dabei hat das Unternehmen in den vergangenen Jahren unter Beweis gestellt: HENSOLDT kann Wachstum. Seit 2019 hat sich der Auftragsbestand mehr als verdoppelt. Der Umsatz ist doppelt so schnell gestiegen wie der Gesamtmarkt für Verteidigungselektronik. Die Belegschaft ist um mehr als 1.000 Mitarbeiter gewachsen.

Mit der nächsten Wachstumsphase wird sich das Unternehmen weiter transformieren. Auch weil die Verteidigungsindustrie mit der Zeitenwende vor einer neuen Ära steht. Gleichzeitig muss sich auch der Verteidigungssektor zahlreichen makroökonomischen Herausforderungen stellen, von hoher Inflation, instabilen Lieferketten und der Energiekrise bis hin zum Fachkräftemangel. Für HENSOLDT gilt es also, Wachstum aktiv zu gestalten, Chancen zu ergreifen und Herausforderungen zu bewältigen. Dafür braucht es die richtigen Menschen an Bord, nachhaltiges Wirtschaften und vieles mehr. Was genau, skizzieren Christian Ladurner und Lars Immisch Ende 2022 bei einem gemeinsamen Rundgang am Standort Ulm.

Wie Christian Ladurner kennt auch Lars Immisch den Weg aus der Unternehmenszentrale in Taufkirchen bereits wenige Wochen nach seinem Amtsantritt sehr gut. Denn Ulm ist mit rund 2.500 Mitarbeitern der größte HENSOLDT-Standort, und auch wenn viele Meetings digital stattfinden, will Lars Immisch nach Möglichkeit die Hälfte der Woche vor Ort in Ulm sein. Christian Ladurner hat sich auch als Vorstand eine ganz eigene Meetingkultur bewahrt: Der sportbegeisterte Manager steigt mit Kollegen gerne aufs Rennrad – es ist der Teamgedanke, der ihn antreibt: „Wir fahren zusammen los und wollen auch zusammen ankommen. Wir nutzen den Windschatten optimal und passen in der Gruppe gut aufeinander auf.“

Zum Treffpunkt in Ulm erscheinen beide Vorstände mit einer straffen Agenda. Und auch sonst verbindet die beiden vieles. Lars Immisch ist nicht erst seit seiner Zeit als CFO in Paris ein Zahlenmensch: „Es hilft gerade auch bei vermeintlich soften Themen, sich messbare Ziele zu setzen, um zu wissen, wo man steht und ob man Dinge auch wirklich umgesetzt bekommt.“ Vor allem aber sind Christian Ladurner und Lars Immisch beide technikbegeistert. Deshalb führt der Ulmer Rundgang als erstes zielstrebig zur Radar-Testkammer, in der die Geräte vor Auslieferung final geprüft werden. Es folgt mit der Laborumgebung das Herz des Ausbildungszentrums, wo Jugendliche in technischen Ausbildungsgängen erlerntes Wissen praktisch anwenden.

Zum Abschluss trennen sich im Interviewraum die Wege: zwei Gespräche zur Rolle der Finanz als Katalysator für Wachstum und Digitalisierung, zu strategischem Kompetenzmanagement und der Arbeitswelt von morgen.

Christian Ladurner und Lars Immisch unterhalten sich mit einer Gruppe junger Menschen
Christian Ladurner und Lars Immisch stehen vor einem technischen Gerät

Interview CFO
Christian Ladurner


Herr Ladurner, Sie kennen das Unternehmen länger, als es die Marke gibt: Was macht HENSOLDT für Sie aus?

In meiner Zeit als Offizier waren der Zusammenhalt und das Gemeinschaftsgefühl in der Bundeswehr die prägendste Erfahrung für mich. Dieser unbedingte Teamgedanke, Dinge gemeinsam zu erreichen und eng zusammenzustehen, wenn Herausforderungen unüberwindbar erscheinen. Ihn habe ich bei HENSOLDT wiedergefunden, in einer fast familiären Atmosphäre, die sich das Unternehmen bewahrt hat, als es stark gewachsen und immer internationaler geworden ist. So eine Unternehmenskultur muss man auch vorleben, und gerade als Vorstand verstehe ich das als eine meiner wichtigsten Aufgaben.

Was hat sich für Sie persönlich mit Ihrem Wechsel in den Vorstand geändert?

Die Bandbreite an Themen ist noch einmal viel größer geworden und gleichzeitig die Fokussierung auf den konkreten Entscheidungsbedarf. Für mich steht nun im Mittelpunkt, wie wir im Vorstand das Unternehmen strategisch in die Zukunft führen. Zu sehen, wie gut das, was lange mein Job war, jetzt von anderen geleistet wird, hat es mir sehr leicht gemacht, auch vieles loszulassen. Dafür investiere ich heute deutlich mehr Zeit in Kommunikation – mit Investoren, Analysten und Journalisten, aber gerade auch im Unternehmen mit unserem Finanzteam. Unsere Projektteams nah am Produkt in der Entwicklung oder Fertigung leben eine unheimlich starke Gruppendynamik und berechtigten Stolz auf das gemeinsam Erreichte vor. Genauso wollen wir für unsere Experten aus Accounting, Treasury, Investor Relations und IT noch stärker einen gemeinsamen Heimathafen in ihrem Nahbereich schaffen. Das ist auch für unsere Leistungsfähigkeit als Finanzteam wichtig. Denn vor uns liegen große Aufgaben.

Stichwort große Aufgaben: Wie bereiten Sie als CFO HENSOLDT auf die Zeitenwende vor?

Wir können bereits heute, bevor die konkreten Auswirkungen der Zeitenwende klar sind, absehen, dass wir in den kommenden Jahren nachhaltig wachsen werden. Die Zeitenwende wird in diese Richtung zusätzliche Impulse setzen, aber die Basis haben wir mit den vielen langfristigen, mehrjährigen Projekten gelegt, für die HENSOLDT beauftragt wurde. Das sind gleichzeitig das Ergebnis und der Anfang harter Arbeit. Denn Wachstum muss gemanagt und klug gestaltet werden. Wir wollen mit unserem Geschäft nicht einfach nur größer werden, sondern noch kundenfokussierter, leistungsfähiger, schneller und effizienter. Es geht darum, sich in der Wertschöpfung weiter zu verbessern und mehr Wert zu generieren. Als Finanzressort haben wir dafür starke Hebel.

Welche Hebel sind Ihnen besonders wichtig?

Erstens ist es unsere Aufgabe, den wirtschaftlichen Freiraum für unsere Strategie zu schaffen und Innovation finanziell zu ermöglichen. Innovation ist seit jeher das zentrale Asset unserer Firma, ausschlaggebend für den Erfolg bei unseren Kunden und werttreibend am Kapitalmarkt. Zweitens sind wir mit unserem ganzheitlichen Blick auf das Unternehmen auch ein Treiber effizienter, von Anfang bis Ende stringenter Prozesse. Mit dem Programm HENSOLDT GO! für operative Exzellenz haben wir diese „End-to-end“-Prozesse in den vergangenen Jahren vorangetrieben und werden sie 2023 auch global ausrollen. Der Fokus auf Prozesse begleitet uns langfristig, um intelligent wachsen und divisions- sowie länderübergreifend integrierte Lösungen anbieten zu können. Und drittens verstehe ich die Finanz als Katalysator für die digitale Transformation des Unternehmens. Wir wollen jederzeit zu jedem Thema datenbasierte Entscheidungen treffen können. Dazu arbeiten wir intensiv an unserer Daten-Governance und Systemlandschaft mit dem Ziel, HENSOLDT in ein Echtzeit-Unternehmen zu transformieren. Alle diese Aufgaben bekommen durch die Zeitenwende ein Ausrufezeichen mehr. Sie ist damit auch ein Beschleuniger für das Finanzwesen der Zukunft.

Wodurch zeichnet sich diese Finanzorganisation der Zukunft aus?

Wir werden Schritt für Schritt zum Navigator und Möglichmacher für das Unternehmen. Vor 20 Jahren stand für die Finanz noch sehr stark das Reporting, also der Rückblick, im Vordergrund. Heute blicken wir viel stärker auch in die Zukunft und leisten einen strategischen Beitrag. Dazu brauchen wir leistungsfähige Instrumente und neue Kompetenzen. Wir müssen also auch uns selbst transformieren und haben dazu das Programm „Vision Finance“ auf drei Säulen aufgesetzt: datengetriebene finanzielle Unternehmenssteuerung, Hochleistungsorganisation Finance-Community und Talententwicklung.

Sie haben Ihr Amt in einer Zeit großer volkswirtschaftlicher Risiken angetreten, von Inflation bis zur Energie- und Lieferkettenkrise. Wie wappnet sich HENSOLDT gegen diese Risikolage?

Wir leben ohne Frage in Zeiten hoher Unsicherheit. Als HENSOLDT sind wir durch unser langfristiges Projektgeschäft, in dem meist ein Ausgleich von Preissteigerungen vertraglich vereinbart ist, ein Stück weit weniger als andere von Inflation betroffen und dadurch robuster. Aber natürlich müssen auch wir wachsam sein und vorausschauend handeln. Unsere Refinanzierung haben wir zu attraktiven Konditionen langfristig abgesichert. In den Lieferketten treffen wir dort frühzeitig Vorkehrungen, wo wir mögliche Verwerfungen sehen. So ist es uns gelungen, die Herausforderungen gut im Griff zu behalten und mit einer überschaubaren Risikolage ins Jahr 2023 zu starten. Dabei gilt die Devise, dass wir in volatilen Zeiten noch näher an unserem Geschäft und Umfeld sein müssen. Deshalb stellen wir mit „Vision Finance“ auch zu operativen, nichtfinanziellen Kennzahlen durchgängige Transparenz her, etwa zur Teileverfügbarkeit, Liefertreue oder Einhaltung von technischen Meilensteinen. Denn als Unternehmen geht es uns wie unseren Kunden: Wenn ich ein klares Lagebild habe, bin ich handlungsfähig.

Planen Sie als Antwort auf die Zeitenwende weitere Akquisitionen, um den Markt zu bedienen?

Unsere Philosophie hat sich durch die Zeitenwende nicht verändert. Wir werden auch weiterhin Optionen für gezielte Zukäufe prüfen. Das ist für uns aber immer an sehr klare Kriterien geknüpft: Nur wenn die Akquisition eindeutig werterhöhend ist und der Partner sowohl technologisch und unternehmerisch als auch in seiner geografischen Präsenz zu uns passt, werden wir aktiv. Daneben schauen wir uns auch regelmäßig mögliche strategische Beteiligungen für Technologiepartnerschaften an. In Innovationsfeldern, die wie Künstliche Intelligenz immer relevanter für uns werden, gibt es viele Start-ups und junge Unternehmen mit einer starken Tech-Expertise. Sie brauchen häufig einen finanziellen Anschub und profitieren von der Kooperation mit einem etablierten Technologieunternehmen, sind aber auf große Freiheiten in ihrem Unternehmertum angewiesen. In diesen Fällen können strategische Beteiligungen eine Win-win-Lösung sein, um vielversprechende Technologien gemeinsam voranzubringen.

Wie blickt der internationale Kapitalmarkt auf Deutschland und die Zeitenwende?

Ich hatte in den vergangenen Monaten die Chance, viele Gespräche mit Investoren und Analysten zu führen, zuletzt war ich dafür in Großbritannien und in den USA unterwegs. Gerade die außereuropäischen Marktteilnehmer verfolgen sehr genau, ob Deutschland Wort hält und die Ankündigungen auch verlässlich umsetzen wird. Man merkt sehr deutlich, dass hier die zurückhaltende, zögerliche Rolle Deutschlands über die vergangenen Jahrzehnte im Bereich Sicherheit und Verteidigung Spuren hinterlassen hat. Dabei sind generalistische Analysten, die sich noch nicht intensiver mit Verteidigung beschäftigt haben, deutlich ungeduldiger und stellen nachvollziehbar viel schneller die Vertrauensfrage. Andere, die unseren Sektor gut kennen, wissen, dass es nach einer politischen Absichtserklärung sehr lange dauern kann, bis es zur Auftragsvergabe kommt. Und dass es Teil unserer unternehmerischen Expertise ist, dieses Geschäft mit langen Vorlaufzeiten optimal zu gestalten, um im richtigen Moment mit dem richtigen Produkt bereit zu sein.

Und wie erleben Sie die Sicht des Kapitalmarkts auf HENSOLDT? Steckt hinter dem deutlichen Kursanstieg in 2022 der Ruf der Verteidigungsindustrie als sicherer Hafen in Krisen – oder mehr?

Die zentrale Währung am Kapitalmarkt ist Vertrauen. Deshalb wird hier honoriert, dass HENSOLDT zuverlässig umsetzt, was wir versprechen. Das gilt für unsere Unternehmensstrategie genauso wie für die mittelfristigen Planungen, wie wir sie beispielsweise bei unserem Börsengang angekündigt und dann konsequent abgeliefert haben. Und das gilt für die Tatsache, dass wir unseren Rekord-Auftragsbestand diszipliniert in hochprofitables Ergebnis überführen, weil wir Großprojekte strukturiert abarbeiten und im vereinbarten Zeit-, Budget- und Qualitätsrahmen zum Kunden bringen. HENSOLDT ist ein verlässlicher Partner für Kunden und Investoren: Für uns ist es absolut zentral, diesem Status auch in der Zeitenwende zu 100 Prozent gerecht zu werden. Denn auch in der Bewertung unseres Unternehmens zeigt sich, dass seit dem 24. Februar 2022 der Stellenwert von Sicherheit und Verteidigung für unsere Gesellschaft deutlich gestiegen ist. Dazu zählt ebenfalls, dass der Anteil von Investoren mit einem klaren ESG-Fokus an unserem Freefloat von etwa 6 Prozent Ende 2021 auf jetzt über 20 Prozent gewachsen ist. Am Kapitalmarkt wird also verstärkt gewürdigt, dass Sicherheit die Grundvoraussetzung für Nachhaltigkeit ist. Der Blick auf unsere Branche und unser Unternehmen hat sich weiterentwickelt. Auch diesen Vertrauensvorschuss wollen wir bestätigen und zeigen, dass wir noch mehr können.

Normalerweise formuliert der Kapitalmarkt Erwartungen an Unternehmen. Einmal andersherum gedacht: Was wünschen Sie sich für Ihre Zusammenarbeit mit Investoren und Analysten?

Der Dialog mit Investoren und Analysten ist für mich ein ganz wichtiges Element unseres Frühwarnsystems und setzt oft wertvolle Reizpunkte für unsere Diskussion im Vorstand. Deshalb freut es mich sehr, dass der Kapitalmarkt HENSOLDT zunehmend aufmerksamer verfolgt. Ich möchte diesen Austausch nicht nur pflegen, sondern auch intensivieren und noch enger gestalten. Wir haben uns vorgenommen, dafür mehr Plattformen entweder selbst zu schaffen oder zu besuchen. Das gilt vor allem auch für den Dialog mit internationalen Ansprechpartnern, nachdem der europäische Verteidigungssektor weltweit wesentlich stärker in den Fokus gerückt ist. Diese Chance wollen wir nutzen, um unseren Plan für intelligentes Wachstum zu erklären und weiter Vertrauen zu schaffen.

Foto von Christian Ladurner

Interview CHRO
Lars Immisch


Herr Immisch, Sie sind seit Oktober 2022 Personalvorstand bei HENSOLDT. Was hat Sie bei Ihrem Start am meisten überrascht?

Eindeutig der ganz eigene Spirit! Die starke Kultur und Identifikation der Mitarbeiter spürt man sofort. Das ist erstaunlich für ein junges Unternehmen, das aus traditionsreichen Vorgängerorganisationen hervorgegangen ist. Dass die HENSOLDTianer gerne hier arbeiten, zeigt auch das „Most Wanted Employer“-Ranking für 2022 von der ZEIT und dem Arbeitgeber-Bewertungsportal Kununu: Wir liegen auf Platz zwei im gesamten Elektroniksektor! Jetzt geht HENSOLDT von einer Art Start-up-Phase in eine Etappe über, in der wir das Unternehmen der Zukunft gestalten, um weiter Wachstum und hohe Ambitionen zu realisieren. Ich freue mich sehr darauf, diese kontinuierliche Veränderung mitzugestalten.

Was bedeutet die Zeitenwende für Sie als Personalvorstand? Müssen Sie in Zeiten des Fachkräftemangels die Belegschaft massiv ausbauen?

Durch das Wachstum der vergangenen Jahre sind wir bereits in einer guten Position, um mehr Verantwortung zu übernehmen. Wir werden uns auch in Zukunft weiter verstärken, gehen dabei aber verantwortungsvoll mit Augenmaß vor. Denn rasantes Wachstum müssen Sie auch auf der Personalseite vernünftig verarbeiten, um gut zusammenarbeiten zu können. Und natürlich müssen wir erst einmal abschätzen können, welche konkreten Anforderungen und Aufträge sich aus der Zeitenwende ergeben. Das ist etwas anderes als eine politische Absichtserklärung. Stellenweise gehen wir auch in Vorleistung, etwa mit der Entscheidung, eine signifikante Tranche unseres Hochleistungsradars TRML‑4D für die Luftverteidigung zu fertigen, um Lieferzeiten möglichst kurz zu halten. Dafür holen wir in der Fertigung unmittelbar neue Mitarbeiter an Bord. Vor allem aber liegt unsere Aufgabe in absehbarer Zeit darin, sehr genau zu beobachten, wie sich unser Personalbedarf verändern könnte. Das ist nicht allein eine quantitative Frage, sondern eine der richtigen Qualifikationsstruktur. Denn natürlich geht es für uns primär darum, gezielt an den richtigen Stellen die richtigen Kompetenzen aufzubauen. Zusammen mit fokussierten Strukturen und Prozessen ist das der Schlüssel, um in Zeiten steigender Kosten effizient zu wirtschaften und nachhaltig zu wachsen.

Welche Talente hat HENSOLDT vor allem im Visier? Und wie macht sich der Fachkräftemangel bemerkbar?

Auch wenn HENSOLDT sehr gut positioniert ist, spüren natürlich auch wir, dass es in vielen Bereichen einfach zu wenige Bewerber gibt, gerade bei den top ausgebildeten Spezialisten in den Hochtechnologieberufen. Wir stellen heute immer stärker im IT-Bereich ein und stehen damit nicht nur innerhalb unserer eigenen Industrie im Wettbewerb, sondern etwa auch mit E‑Commerce-Anbietern und vielen anderen Branchen. Umso entscheidender ist strategisches Kompetenzmanagement für uns. Wir müssen immer besser antizipieren können, welche Profile und Qualifikationen wir in Zukunft benötigen. Das gilt für mehrere Jahre im Voraus und genauso für die mittelfristige Perspektive. Denn wenn ich beginne, die benötigten Mitarbeiter zu rekrutieren, sobald wir das Großprojekt gesichert haben, ist es viel zu spät. Da müssen wir immer früher dran sein und dazu sehr genau verstehen, wie sich der geopolitische Kontext, die technologischen Trends und die Bedürfnisse unserer Kunden entwickeln. Das ist eine anspruchsvolle, aber entscheidende Aufgabe, um Topleute mit den Technologieprofilen zu gewinnen, die für uns im Fokus stehen: Systemingenieure, Softwareentwickler und IT-Fachkräfte. Außerdem stellen wir vermehrt Experten für Programm- und Projektmanagement ein, da die Umsetzung komplexer Großprojekte unser Geschäft immer stärker prägt. Bei allen diesen Qualifikationen gilt in gewisser Weise das Bonmot „Der Kampf um Talente ist vorbei. Gewonnen haben die Talente“.

Und was ist angesichts dieser neuen Ausgangslage auf dem Arbeitsmarkt zu tun?

Selbstverständlich müssen wir uns in allen Bereichen so aufstellen, dass unser Anspruch erfüllt ist, Arbeitgeber der Wahl zu sein. Aber speziell für die Verteidigungsindustrie gilt auch, dass wir mehr darüber sprechen müssen, was wir tun und warum wir es tun. Heute sehen wir eine deutlich größere Offenheit in der Gesellschaft, unseren Beitrag zur Verteidigung von Demokratie und Freiheit zu würdigen. In dieser Debatte müssen wir uns aber auch dann engagieren, wenn der Krieg in Europa hoffentlich bald beendet ist und sich die gesellschaftliche Wahrnehmung womöglich wieder ändert. Außerdem kommen mir in der Diskussion um den Fachkräftemangel zwei Aspekte viel zu kurz: Zum einen haben wir die Aufgabe und Chance, jungen Menschen über eine fundierte Ausbildung zu helfen, zu den Talenten von morgen heranzuwachsen. Deshalb haben wir unser Engagement in der Ausbildung und im dualen Studium noch einmal deutlich ausgebaut und gestalten Studiengänge wie „Embedded Systems“ konzeptionell mit, um Jugendliche wieder stärker für Technik zu begeistern. Zum anderen ist mir die Weiterentwicklung unserer eigenen Talente, die wir bereits an Bord haben, enorm wichtig. Gerade in unserer Branche mit langen Projektlaufzeiten einerseits und kurzen Innovationszyklen andererseits ist die Balance aus Erfahrung und jungen, frischen Impulsen essenziell.

Welche Auswirkungen hat der Krieg in der Ukraine auf das Recruiting von HENSOLDT?

Das veränderte Bewusstsein für Verteidigung zeigt sich auch im Bewerbermarkt deutlich. Gleichzeitig hat sich mit der Zeitenwende der Wettbewerb unserer Branche um die besten Köpfe weiter verstärkt. Es gilt deshalb mehr denn je: Wir müssen zu den Talenten gehen und näher bei den Menschen sein. Das beginnt mit so einfachen Dingen, dass wir auf Plattformen wie LinkedIn stärker den Dialog von Mensch zu Mensch führen, um mehr Einblicke zu geben, welche Persönlichkeiten bei uns arbeiten. Das schließt aber auch weitreichendere Themen ein: Sollten wir für bestimmte Tätigkeiten und Profile anbieten, komplett im Homeoffice arbeiten zu können? Brauchen wir Hubs in Regionen mit starken Talentpools? Können wir uns über Partnerschaften besonders begehrte Qualifikationen sichern? Auf diese Fragen müssen wir Antworten finden.

Womit punktet HENSOLDT bei Mitarbeitern und Bewerbern? Was sind die stärksten Faktoren?

Viele unserer Mitarbeiter und Bewerber motiviert vor allem, einen greifbaren Beitrag zur Verteidigung von Frieden und Freiheit zu leisten. Sie entwickeln die bestmögliche Ausstattung für Menschen, die für unsere Gesellschaftsform ihr Leben riskieren. Daneben geht es ganz stark auch um die Faszination von Hochtechnologie. Bei HENSOLDT können Mitarbeiter Fortschritt in Spezialgebieten mitgestalten, die in wenigen anderen Branchen erreichbar sind – von der Sensordatenfusion bis zur Raumfahrt. Auch die persönliche Sicherheit, die ein Arbeitsplatz in einer vergleichsweise krisenresistenten Branche bietet, zählt wieder viel stärker. Umgekehrt erfüllen wir als Branchenführer beim Thema Nachhaltigkeit eine Basisanforderung, um die Bewerber von HENSOLDT zu überzeugen, die wir wollen. Mein Vorgänger Peter Fieser hat mit dem Team eine fundierte ESG-Strategie aufgesetzt, die wir konsequent umsetzen. Wir verfolgen damit ambitionierte Ziele wie etwa CO2-Neutralität bis 2035, die ein hartes Stück Arbeit sind und signifikante Investitionen erfordern. Aber das ist auch aus HR-Sicht sehr gut angelegtes Geld.

Und wo setzen Sie an, um HENSOLDT als attraktiven Arbeitgeber weiterzuentwickeln?

Wir werden zum einen weiter an unserer großen Stärke arbeiten, der Unternehmenskultur. Das ist für jede Firma eine erfolgsentscheidende Daueraufgabe, gerade in Wachstumsorganisationen. Mir geht es darum, dass wir das, was uns leitet und prägt, sehr verständlich übersetzen und in jeden Winkel des Unternehmens tragen. Gerade auch in die internationalen Tochtergesellschaften, die in den vergangenen Jahren durch Akquisitionen zur HENSOLDT-Familie dazugestoßen sind. Diesen Kulturprozess werden wir bestimmt nicht von oben verordnen und in PowerPoint-Folien definieren, aber wir können und müssen die richtigen Plattformen für die Mitarbeiter schaffen. Damit sind wir bei einem zweiten Punkt, der Führungskultur: Viele Externe denken bei der Verteidigungsindustrie immer noch an „Befehl und Gehorsam“. Das trifft bei HENSOLDT nicht die Realität. Wenn Mitarbeiter mit ihrer Idee, dass sich unsere Technologien auch für den Schutz von Wildtieren eignen könnten, zum Vorstand gehen, ist das ein schöner Beleg. Aber auch hier können wir nicht einfach einen Haken dran machen, sondern müssen permanent eine inklusive Führungskultur der offenen Türen vorantreiben. Teams erwarten zu Recht und immer stärker Transparenz, Teilhabe und Flexibilität. Damit gehen neue Führungsaufgaben einher, zumal wenn wir remote zusammenarbeiten. Diese kulturellen Fragen führen unmittelbar zu zwei sehr greifbaren weiteren Fokusthemen, an denen wir arbeiten.

Welche sind das?

Einmal geht es um die neue Arbeitswelt, für die wir nach der Coronapandemie branchenübergreifend noch lange nicht alle Antworten gefunden haben. Bei HENSOLDT gilt eine 50-Prozent-Regelung für hybrides Arbeiten zwischen Büro und Homeoffice. Das funktioniert sehr gut, aber langfristig geht es eher um die Frage, für welche Tätigkeiten ein Team gemeinsam vor Ort arbeiten muss. Dann müssen wir verstehen, wie die Zusammenarbeit und die kommunikativen Arbeitsplätze der Zukunft aussehen, die den Gegebenheiten unseres Geschäfts und den Bedürfnissen der Mitarbeiter gerecht werden. In Oberkochen, wo wir bis 2025 unseren neuen Hochtechnologie-Campus einweihen, wird sich diese kulturelle Transformation architektonisch als eine Art Leuchtturm zeigen. Bei alldem denken wir besonders auch an diejenigen Mitarbeiter, die nicht ins Homeoffice gehen können, weil sie an klassifizierten Projekten oder in der Radarfertigung arbeiten. Beim zweiten Thema, Diversität, ist das Zielbild einfacher: Wir müssen, auch in unserer Industrie, als Unternehmen ein Spiegelbild der Gesellschaft sein. Zum Anteil von Frauen in Führungsteams haben wir bei HENSOLDT klare Zwischenziele, die den Weg weisen, und ich bin sehr froh über die starken Vorbilder in unseren Reihen. In der Breite haben wir als Technologieunternehmen unter anderem mit dem zu geringen Anteil von Absolventinnen für technische Berufe zu kämpfen. Das ist kein Argument, die Hände in den Schoß zu legen, im Gegenteil: Wir werden unseren Anteil dazu beitragen, dass sich das ändert.

Foto von Christian Ladurner